Zum Inhalt springen

Marcos Reisebericht

Für diese Reise möchte ich einen Kollegen von mir, Marco Marrandino, vorstellen. Marco ist hochgradig sehbehindert. Und in diesem Beitrag erzählt er uns von einer Reise nach Italien, die er gemacht hat, um seinen Vater zu besuchen.

Viel Vergnügen und hier noch das ganze zum Nachlesen
Grüezi mitenand und herzlich willkommen zu einer neuen Episode „Blindblog.ch“. In dieser Folge habe ich einen Gast bei mir, ein Arbeitskollege, Marco marrandino. Wir beide arbeiten im Dunkelrestaurant blindekuh in Zürich.
Marco erzählt uns von einer Reise, dir gemacht hat, um seinen Vater in Italien zu besuchen. Nun, Wenn ich nach Italien Reise, nehme ich den Zug, richte mich gemütlich ein, gehe in den Speisewagen, esse etwas feines und lasse es mir gutgehen. Und dann… Ach was, das ist jetzt nicht so wichtig. Viel wichtiger ist jetzt mein Kollege, Marco. Er wird uns sogleich darüber erzählen, was er alles auf seiner Reise erlebt hat. So, nun überlasse ich ihm das Wort. Übrigens, wir mussten das Gespräch über Skype führen, da zurzeit ein Treffen eher schwierig ist. Aber ich hoffe, es gefällt ihnen trotzdem. Und jetzt Vorhang auf!
Marco: «So, hallo, herzlich willkommen beim Podcast von Jean. Mein Name ist Marco. Ich bin der Kollege von Jean. Ich Arbeite auch in der blindekuh in Zürich. Amtlich, d.h. aus medizinischer Sicht bin ich auch blind, also auf jeden Fall schwer sehbehindert, habe aber noch einen relativ grosszügigen Sehrest. Jean hat mich gefragt, ob ich bei seinem Podcast übers Reisen mitmachen will. Ich hab auf jeden Fall ja gesagt, aber hab dann auch schon gedacht, ob ich der richtige dafür wäre. Denn eigentlich reise ich jetzt nicht unbedingt so viel, aber ja klar, so hin und wieder muss ich auch von A nach B kommen. Und in dem Fall möchte ich jetzt hauptsächlich einfach mal von der Reise zu meinem Vater nach Giffoni in Süditalien erzählen. Giffoni gehört zur Provinz von Salerno. Und die Stadt Salerno liegt südlich von Neapel. Und das ganze Gebiet gehört zur Region Kampanien. Wenn ich reise, bin ich noch recht oldschool unterwegs.
Ich Hab eigentlich nicht so viele Sachen dabei, nur eine Tasche und einen Langstock oder signalstock. Und sonst habe ich ja noch meine Ohren und meinen Mund, wenn ich nicht mehr weiter weiss. Ebenso ganz oldschool habe ich noch einen Discman mit dabei. Na ja, ich habe halt noch kein iPhone, aber das klappt trotzdem recht gut. Was die Vorbereitungen anbelangt, habe ich eigentlich schon das Wesentliche aufgezählt. Ach so, ein paar Sachen habe ich immer dabei; das war schon vor Corona so. Wenn ich länger Reise, dann nehme ich gerne Händedesinfektionsmittel mit. Einfach so, weil die Toiletten teilweise nicht immer so sauber sind. Auch wenn ich mit der Bahn unterwegs bin, kann es sein, dass auf der Toilette kein Wasser kommt. Deshalb hab ich immer was zum Desinfizieren mit dabei. Auch bei nicht ganz so langen Reisen, bei einer Zugfahrt von eineinhalb Stunden, nehme ich was zu Trinken mit, z.B. ein Mineralwasser. Ist einfach beruhigender, sollte mal der Zug eine technische Störung haben. Denn man weiss ja nie so ganz, wenn’s weiter geht, und so verdurstet man nicht.
Die Getränke kaufe ich immer vor der Reise. Ist billiger, als wenn ich z.B. beim Flixbusfahrer ein Fläschchen kaufen müsste. Dort kostet ein Fläschchen, glaube ich, so 2€ / 1.50€. Und im Supermarkt bekommst du dasselbe für 30 Cent. Ach ja, und der Flixbusfahrer hat auch nicht immer Wasser zum Verkaufen dabei.
Längere Reisen buche ich tatsächlich beim Reisebüro, weil ich’s einfach mag. Und ich kann mit einem Menschen reden und mich gegebenenfalls beraten lassen. Mir macht es einfach auch Spass, ein bisschen Menschenkontakt zu haben. Und es ist erst noch mein Stammreisebüro, wo ich immer hingehe, auch wenn ich mit dem flixbus Reise und meinen Vater Besuche.
Die Reise, über die ich gerne erzählen möchte, war 2019 Anfang Juni. Grob gesagt kostete das Ganze so ca. 150€, hin und zurück. Die kosten mit dem flixbus sind also recht günstig.
Ja, los ging’s dann hier in Konstanz, Döbeleplatz, ich glaube so um 14 Uhr rum. Dann ging’s nach Milano lampugnano und dort hatte ich vier Stunden Aufenthalt. Ich bin da ein bisschen rumgelaufen. Aber an dieser Station gibt es eigentlich nicht viel zu sehen. Drum bin ich dann bei der letzten Reise auch gar nicht mehr gross von diesem Bussteig weggegangen.
Es gibt zwar eine S-Bahn Station, aber, vier Stunden Aufenthalt, klingt nach viel, es war mir aber trotzdem ein bisschen zu waghalsig, mit der
S-Bahn wegzufahren. Ich meine, wenn man eine Begleitperson dabei hat oder ein bisschen Mutiger ist, kann man das ja vielleicht schon machen.
Um zehn Uhr Abends, also nach vier Stunden, ging der nächste flixbus Richtung Napoli, eine richtig lange Strecke ist das. Zwei Pausen sind dabei, und es gab auch einen Fahrerwechsel.
Der zweite Busfahrer war aus Napoli. Das hat man dann gleich am Dialekt gehört. Und man merkte auch, dass er kein englisch konnte oder sprechen wollte. Er zog ganz selbstbewusst sein neapolitanisch durch oder, er hatte gar keine Lust mehr, Englisch zu sprechen. dann merkte man schon, dass man in einer etwas anderen Welt war.
Und irgendwann frühmorgens, ich weiss nicht mehr wann, vielleicht um sechs oder sieben Uhr, war ich dann in Napoli Centrale. Und ich mag eigentlich den Bahnhof. Seit ungefähr 15 Jahren ist er recht aufgeräumt und relativ sauber,
und ich finde ihn recht übersichtlich. Ich laufe in der Regel dann eben von der flixbus Haltestelle, na ja, zunächst erstmal zu einem Café, um mir dort einen leckeren Espresso zu genehmigen. Danach kaufe ich mir ein Bahnticket,
um dann weiter nach Salerno zu fahren. In Napoli oder generell in Italien gibt es verschiedenste zugunternehmen. Drum muss man erst noch den passenden Schalter suchen. Ich frag mich dann einfach durch. Die Gleise sind in Napoli Centrale recht einfach zu finden. Der Bahnhof ist als Sackbahnhof gebaut. Die einzelnen Gleise sind durchnummeriert von rechts nach links. Beim Ticketkauf lasse ich mir dann auch noch das richtige Gleis und die richtige Uhrzeit aufschreiben. Falls ich das vergesse, kann ich mit meinem Lesegerät Nachschauen und dann kann nicht mehr viel schief gehen.
Dann ging’s weiter nach Salerno. Und in Salerno kam mich dann so ungefähr um 9 Uhr morgens an. Dort wurde ich von meiner Tante, Ricarda, abgeholt, und Dann ging es weiter mit dem Bus nach Giffoni Valle Piana (das ruhige Tal). Das gehört wie gesagt zur Provinz von Salerno
Und liegt so ein bisschen in den Bergen. Giffoni ist eine sehr schöne Stadt und lebt hauptsächlich von dem Kinder und Jugendfilmfestival. Es ist das grösste Kinder und Jugendfilmfestival in Italien und dauert so ungefähr eine Woche. Das besondere an dem Filmfestival ist die Jury aus, ich weiss nicht genau, 1000 Kinder und Jugendlichen. Diese wählen dann die besten Filme aus. Und die Filme werden von der Jury premiert.
Ich bin also gut angekommen. Es ging dann zu Fuss weiter zum Haus von meinem Papa. Der hatte ja an dem Tag tatsächlich Geburtstag.
Ich hatte zwar meinen Papa begrüsst, jedoch mich dann für zwei drei Stunden aufs Ohr gelegt. Aber danach hatte ich mit meinem Papa ganz ruhig seinen Geburtstag gefeiert. Wir sassen auf seiner Terrasse und konnten immer wieder in seinen Garten Reingucken. Dort gibt es einige Orangen- und Zitronenbäume.,
Was gibt’s denn sonst noch in Giffoni? Ich war ungefähr so zwei Wochen dort, und es war sehr sehr heiss. Es gefällt mir aber meistens, wenn es so heiss ist.
Ich Lauf dann manchmal auch alleine los. Aber weil meine Augen eben nicht mehr so gut sind, muss ich immer aufpassen, dass ich mich nicht verlauf. Ich muss mit dann alles merken. Andererseits ist Giffoni auch keine Grossstadt. Man muss natürlich auch sagen, ich kenne Giffoni schon seit ich fünf Jahre alt bin. In Giffoni wurde zwar in den letzten Jahren viel umgebaut. Aber viele Strecken und Strassen kenne ich eigentlich im Schlaf. Im grossen und Ganzen finde ich mich schon zurecht. Es gibt da so ein kleines Castello. In diese Richtung bin ich z.b. einfach mal hochgelaufen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich laufe oft ohne Signalstock, bzw. ohne Langstock rum. Denn ich geniess es, nicht zum Blickfang zu werden. In Italien, in Süditalien, habe ich eh den Eindruck, dass die Leute einem hinterhergucken, wenn man nicht von der Gegend ist. Ich Laufe dann oft ohne Signal Stock los, und ich glaube auch, dass die Leute meine Sehbehinderung gar nicht merken. Also,
am Bahnhof habe ich schon meinen Langstock oder signalstock dabei. Und ich muss sagen, die Leute sind wahnsinnig hilfsbereit. Gerade eben in Napoli Centrale kam jemand vom Sicherheitspersonal, weiss nicht, ob es sogar jemand von der Polizei war. Die begleiten einen dann wirklich von A nach B, wo man hin muss. In Napoli Centrale habe ich auf jeden Fall super Erfahrungen gemacht. Ich kann gar nicht so beurteilen, ob die das überhaupt gemerkt haben, dass ich so schlecht sehe.»
Bemerkung von mir: «Die Hinreise hat aber ganz schön lange gedauert.»
Marco: «Ufff, ja, sehr lange. Um 14 Uhr ging es los, und ich glaube, in Giffoni war ich dann so um 10 Uhr. Also ungefähr 20 Stunden brauchte ich schon. Das ist brutal lang. Aber ja, es ist halt recht günstig, so für 60 / 80€ bis nach Napoli zu fahren. Und das Zugticket ist auch ganz billig, vielleicht irgendwas so zwischen5 und 15€, hängt auch von der Zuggesellschaft ab, die man gerade erwischt. Nun ja, das Hauptargument war tatsächlich der Preis. Klar, man könnte kürzer hinreisen. Das lange Busfahren ist vielleicht nicht so der Hammer, aber ansonsten fand ich es ganz angenehm, einfach so in Napoli anzukommen, mir einen Espresso zu Gönnen und dann noch die einzelnen Verkehrsmittel zu wechseln.
Nach zwei Wochen war dann die Rückreise. Die dauerte noch viel länger. Da fuhr ich mit dem Bus von Giffoni wieder zurück nach Salerno. Das sind so blaue Busse von der Firma Sita. Also wenn ich Reise, plane ich generell viel Zeit ein. Und ich halte mich nicht so streng an irgendwelche Fahrpläne. Ich hab mich dann in ein Café gesetzt, zwei Cola getrunken und bin ein bisschen noch am Meer entlang gelaufen, übrigens der südlichste Zipfel der Amalfiküste. Ich hab die Zeit einfach so genossen und dann ging’s mit dem Zug nach Napoli. Ich glaube, der Zug nach Napoli ging so um sechs Uhr abends. In Napoli hatte ich Eine / zwei Stunden Aufenthalt. Ich kalkulier das immer gut ein, weil Ich keine Lust habe, wenn es irgendwelche Komplikationen gibt und ich dann den flixbus verpasse. Ich habe das aber genossen und bin dann einfach nochmals in die Stadt Napoli reingegangen, um den Puls der Stadt einzufangen. Man sagt, Napoli sei ein bisschen das New York von Europa. Dann ging’s aber mit dem Bus weiter. Und da hab ich was gemacht, was ich heute als Fehler betrachten würde. Ich habe mir Gedacht, das preisgünstigste Angebot zu nehmen. Ich fuhr
mit Dem flixbus nicht direkt nach Konstanz, sondern über München. Denn dieses Angebot war 25 / 30€ billiger, und in Deutschland fahre ich mit den Nahverkehrszügen umsonst. Da hab ich einfach gedacht, den Bus nach München zu nehmen. In München würde ich mit einer Verkehrsverbindung nach Konstanz fahren. Das würde ich nie wieder so machen, weil dadurch die Fahrt dann wirklich brutal lang wird. Ich kam in München am nächsten Morgen an. Die Grenzkontrollen waren an der bayrischen Grenze recht streng und Dauerten auch nochmals so eine dreiviertel Stunde bis eine Stunde. In München bat ich am Schalter um Hilfe, weil ich das Gleis nicht fand. Ein freundlicher Herr, das war richtig toll, fuhr mich mit seinem Mobil bis zum Gleis. Und ich hatte mit dem Herrn eine richtig nette Unterhaltung. Allerdings setzte der mich ins falsche Abteil. Der Zug
wurde geteilt, und ich sass halt dann so da mit meinem Discman und hörte mir eine schöne Kurzgeschichte, nein, ein schönes Hörbuch an. Ich hörte auch nicht auf irgendwelche Ansagen und war dann halt
am falschen Bahnhof. Statt in Ulm war ich irgendwo in Buxtehude und musste dann erst wieder eine gewisse Strecke zurückfahren bis ich wieder den Zug nach Ulm nehmen konnte. Dadurch wurde die komplette Reise dann wirklich zur absoluten Odyssee. Also, ich glaub, den flixbus in Neapel hatte ich vielleicht so um neun Uhr abends. Und in Konstanz, also in meiner Wohnung, war ich dann auch so gegen neun Uhr abends. Tja, die Reise ging dann schon brutal lang. Meine Reise ging ja nicht erst in Neapel los.»
Bemerkung von mir: «Dann warst du also 24 Stunden unterwegs.»
Marco: «Genau. 24 Stunden, allerdings von Neapel. Ja, das war natürlich schon recht lang. Das würde ich auf jeden Fall nicht mehr machen. Am Bahnhof von München war es schon schön, einen bayrischen Leberkäswecken zu essen, aber das war’s eigentlich auch schon, was ich vom Umweg als positiv mitgenommen habe.

Nun, das wär’s eigentlich von der Reise. Die Gegend von Giffoni kann ich auf jeden Fall sehr empfehlen. Alles ist dort sehr günstig.
Gerade an der Bar kann man z.B. sehr günstig Kaffee oder Bier trinken. Ich kann mich erinnern, dass ich mit meiner Tante und ihrer Freundin an der Bar einen Espresso getrunken hatte. Dazu gab’s kleine Backstückchen und
ein sehr kleines Mineralwasser im Plastikbecher. Das alles zusammen kostete 2.10€, und erst noch mit einer super freundlichen Bedienung. Das war wirklich toll. Die Gegend dort finde ich generell sehr schön. Ich denke, Pompei, das kennt ja jeder. Kürzlich kam es ja wieder in den Medien, dass man da einen Metallwagen gefunden hätte. Aber es gibt auch so einen Geheimtipp von mir, nämlich Pozzuoli. Das gehört zu Neapel, und dort hat es einen wunderschönen Fischmarkt und einen alten Marktplatz, dessen Höhe sich immer wieder gehoben und gesenkt hat. Denn die ganze Gegend rund um Neapel liegt auf vulkanischem Grund und die Erde bewegt sich dort ständig. Zeitweise dachte man, dass darunter ein alter Tempel liegen würde. Es gibt dort auch heisse Quellen, Solfatara heisst der Platz. Während der Saison ist dort ein Campingplatz. Da riecht es immer sehr einprägsam nach Schwefeldämpfen. Und Schliesslich gibt es noch ein sehr schönes, relativ kleines, aber recht gut erhaltenes Amphitheater. Also Pozzuoli kann ich auf jeden Fall empfehlen.
Ja, das wär’s eigentlich zu der Reise. Ich hoffe, euch hat’s Spass gemacht und vielleicht fahrt ihr auch mal nach Italien.»
Frage von mir: «Und wohin führt dich die nächste geplante Reise?»
Marco: «Ja meine nächste geplante Reise, ich denke wieder nach Italien zu meinem Vater. Nur diesmal nicht über München, sondern direkt nach Konstanz.»
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.
Vielen Dank Marco für deine Reise. War wirklich spannend. Also mir hat es gefallen und ich werde sicher, wenn es wieder möglich ist, die Gegend um Napoli mal besuchen.
So, das wär’s wieder von mir. Ich freue mich wie immer auf Feedbacks. Schreiben Sie mir oder nehmen Sie direkt Kontakt auf über «blindblog.ch». Ich freue mich auf die nächste Episode. Bleiben Sie gesund, machen Sie’s gut und bis zum nächsten Mal. Bye-bye.